Ein wichtiger Baustein: Die Evidenz

Komplementärmedizin umfasst die unterschiedlichsten Spielarten. Viele davon können bedenkenlos empfohlen werden und bieten sich ergänzend zur konventionellen Therapie an.

Diese Sicherheit greift jedoch nicht immer. Zwar sind Informationen heutzutage über Internet und Co. so leicht zugänglich wie nie zuvor. Damit verbunden herrscht aber auch eine große Unsicherheit in Bezug auf die Seriosität von Informationen zu Heilmethoden. Doch wie können gute von schlechten Quellen unterschieden werden?

Im Gesundheitswesen wird die evidenzbasierte Medizin als Mittel für Beweiskraft und Transparenz herangezogen. Sie stützt sich auf drei Säulen: die ärztliche Expertise (interne Evidenz), die Patientenpräferenz und auf klinische Studien (externe Evidenz).

Einzelne Studien haben eine geringere Aussagekraft im Vergleich zu systematischen Übersichtsarbeiten von Therapien (Reviews). Genau hier liegt das Problem, denn umfassende Studien zu komplementären Verfahren sind nur selten vorhanden. Oftmals scheitert es an der Übertragbarkeit der geringen Probandenzahl auf eine größere Population oder es findet sich keine Vergleichsgruppe. In Deutschland sind zudem noch keine spezifischen Förderprogramme für das Thema Komplementärmedizin vorhanden. Daher gibt es im internationalen Vergleich noch einiges an Nachholbedarf.

Grund zur Hoffnung gibt es trotzdem allemal. Denn langsam, aber sicher erkennt das Gesundheitswesen die Wichtigkeit des Themas und veröffentlichte jüngst eine Leitlinie für Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen. Besonders diese gilt als sichere Quelle, um sich Informationen über ergänzende Verfahren einzuholen.

Die einzelnen Verfahren der Komplementärmedizin bei Krebs

Komplementärmedizin umfasst die unterschiedlichsten Bereiche. Viele davon können bedenkenlos empfohlen werden und bieten sich ergänzend zur konventionellen Therapie an.

Moderater Sport und Bewegung sind beispielsweise für den Erhalt der Lebensqualität oder zur Behandlung und Prävention von krebsbedingter Fatigue (starke Erschöpfung) ein wichtiger Baustein. Sowohl Sport als auch Bewegung allgemein sind Teil der sogenannten fünf Säulen der klassischen Naturheilverfahren, zu denen auch die Ernährung gehört. Denn gerade Mangelernährung und Untergewicht sind ein wichtiges Thema in der Onkologie und bedürfen einer besonderen Beratung. Weiterführende Informationen finden Sie im Artikel zum Thema Tumorkachexie.

Ein weiteres Themengebiet: Die Ordnungstherapie. Unter Ordnungstherapie versteht sich die Strukturierung der äußeren und inneren Lebensordnung durch Entspannungs- und Stärkungstechniken wie autogenes Training, Qi Gong, Atemtherapie oder Yoga.

Bei der Hydrotherapie wird hingegen Wasser verwendet, insbesondere kaltes Wasser, um beispielsweise die Durchblutung anzuregen, Lymphödeme zu lindern oder chronische Wunden mitzubehandeln.

Das größte Themengebiet der klassischen Naturheilverfahren stellt schließlich die Phytotherapie dar – die Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln. Hier muss besonders genau hingeschaut werden, denn nicht nur die Arzneimittelqualität ist schwankend, auch Wechselwirkungen sind möglich und gehen mit einer Gesundheitsgefährdung einher.

Chancen und Risiken für Krebspatienten

Bislang herrscht beim Thema Komplementärmedizin in der Onkologie eine schlechte Überblickslage. Ein loses Nebeneinander wissenschaftlicher Studien und Expertenmeinungen steht neben Empfehlungen aus Medien, Populärliteratur oder sogar dem Selbstversuch nach dem Motto „trial and error“. Besonders beim Thema Fatigue bieten sich große Chancen, mithilfe naturheilkundlicher Verfahren ein optimales Nebenwirkungsmanagement zu betreiben, allerdings bestehen auch Risiken in vielerlei Hinsicht.

Egal, wofür und aus welchen Gründen Sie sich am Ende entscheiden: Setzen Sie immer erst Ihren Onkologen davon in Kenntnis und besprechen Sie mit ihm das Verfahren, das Sie gerne ausprobieren möchten. Denn er kennt die Bedingungen ihrer Therapie, die Besonderheiten der verabreichten Wirkstoffe sowie mögliche Neben- und Wechselwirkungen.

Verfahren selbst beurteilen

Es gibt Anbieter, die das Geschäft mit der Angst betreiben. Hilfesuchende Patienten werden zu Opfern von dubiosen Arzneimitteln und Methoden. Hinterfragen Sie daher stets, was Sie lesen und achten Sie auf seriöse Quellenangaben, um sich vor Betrügern zu schützen. Ebenfalls lohnt sich ein Blick auf das Impressum einer Internetseite, um eine seriöse Informationsquelle von einer bedenklichen zu unterscheiden.

Wenn Sie eine Studie zu einem Thema durchforsten, bedenken Sie immer den Unterschied zwischen präklinischen Studien, deren Ergebnisse sich auf Beobachtungen im Reagenzglas beziehen und klinischen Studien, die sich auf eine Vielzahl von echten Patientendaten erstrecken. Ergebnisse, die in einem Reagenzglas im Labor beobachtet werden, können nicht ohne weiteres auf die Bedingungen im menschlichen Körper übertragen werden. Zudem bedeutet eine klinische Studie mit Durchführung im Ausland nicht unbedingt, dass man deren Ergebnisse auf die deutsche Bevölkerung beziehen kann.

Der Krebsinformationsdienst hat folgendesechs Fragen zusammengestellt, die Ihnen dabei helfen sollen, Informationen zur Komplementärmedizin richtig einzuordnen:

1. Wer ist der Anbieter der Methode? Welche heilberufliche Ausbildung hat er oder sie?

2. Hat der Anbieter Erfahrung in der Krebstherapie?

3. Welche Informationen bietet der Anbieter zur Methode an? Lassen sich gemachte Aussagen überprüfen?

4. Wie wirkt die Methode? Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten? Was kann erreicht werden, was nicht?

5. Was kostet die Methode (einmalig angewendet und insgesamt)?

6. Bestätigt die Krankenkasse die Angaben? Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Vorsicht ist grundsätzlich immer dann geboten, wenn ein Allheilmittel angepriesen wird. Ein solches Wundermittel gegen alle Krebsarten beziehungsweise Wirkung in allen Krebsstadien gibt es nicht. Zudem sind Mittel aus dem Ausland oder keinerlei Informationen über die Heilmethode und deren Wirkweise überaus fraglich und sollten gemieden werden.

Vielversprechende Projekte in der onkologischen Komplementärmedizin

Trotz der Tatsache, dass das Thema Komplementärmedizin hierzulande bislang stiefmütterlich behandelt wurde, gibt es einige Projekte, bei denen komplementäre Verfahren in onkologischen Versorgungsprogrammen getestet und ausgewertet wurden.

Ein Beispiel ist das Beratungsprogramm CCC-integrativ, an dem vier baden-württembergische Tumorzentren (Comprehensive Cancer Center) in Tübingen, Heidelberg, Freiburg und Ulm beteiligt sind. Teams aus Pflegenden und Ärzten führen hier auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Beratungen durch, wodurch die Gesundheitskompetenz der 2.500  teilnehmenden onkologischen Patienten gestärkt werden soll.

Noch bis 2022 wird getestet, anschließend finden die Auswertungen bis Ende März 2023 statt. Weitere Implementierungsprozesse sind geplant, sodass die Versorgungsstrukturen auch zukünftig in den CCCs erhalten bleiben können. Weiterführende Informationen hierzu finden Sie auf der Website des Universitätsklinikums Tübingen.


Quellenangaben