Was versteht man unter Komplementärmedizin?
Komplementärmedizin oder komplementäre Behandlungsmethoden – diese Begriffe werden häufig verwendet. Doch was verbirgt sich konkret dahinter?
Bei einer komplementären Therapie werden verschiedene, für die jeweilige Situation und den jeweiligen Patienten passende Methoden oder Präparate mit einer konventionellen Therapie, wie Operation, Bestrahlung und Chemotherapie kombiniert. Die eingesetzten Verfahren kommen aus verschiedenen Bereichen – von der Naturheilkunde über Bewegungstherapien bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln.
Im Gegensatz dazu steht die Alternativmedizin, die eine alleinige Behandlung mit – wie der Begriff schon aussagt – alternativen Methoden und Präparaten beinhaltet. Sie steht im Gegensatz zu der wissenschaftlichen, auf Studien basierenden Medizin.
Durch zahlreiche Studien konnte keine Verbesserung des Zustands der an Krebs erkrankten Patienten oder der Krebserkrankung selbst durch eine alternative Behandlung, wohl aber durch einen gut ausgewählten komplementären Behandlungsansatz gezeigt werden.
Wir möchten Ihnen eine Auswahl eingesetzter Behandlungsmethoden vorstellen, die in Studien positive Ergebnisse erzielt haben.
Wichtig ist, dass Sie alle Maßnahmen, die Sie gerne ergreifen möchten mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.
Die Methoden im Überblick
Komplementärmedizin hat viele verschiedene Gesichter. Als Teil der sogenannten fünf Säulen der klassischen Naturheilverfahren fungieren etwa moderater Sport und Bewegung oder auch die Ordnungstherapie. Unter Ordnungstherapie versteht man die Strukturierung der äußeren und inneren Lebensordnung durch Entspannungs- und Stärkungstechniken wie autogenes Training, Qi Gong, Atemtherapie oder Yoga. Alle diese Methoden tragen zum Erhalt der Lebensqualität sowie zur Linderung von Angstzuständen und Depressionen bei und sind beispielsweise für die Behandlung sowie Prävention von krebsbedingter Fatigue wichtig.
Für alle, die direkt starten möchten:
Anleitung zum autogenen Training
Nutzen Sie unsere Anleitung zum Autogenen Training. Entspannen Sie mit der Kraft Ihrer Gedanken – ganz ohne Hilfsmittel.
Die Anleitung können Sie auch einfach ausdrucken und während der Durchführung der Übungen bereithalten.
Auch die Ernährungstherapie ist ein essenzieller Baustein in der Onkologie. Insbesondere Mangelernährung und Untergewicht bedürfen einer besonderen Beratung. Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Ratgeberartikeln zum Thema Ernährung bei Krebs sowie zum Thema Tumorkachexie.
Bei der Hydrotherapie hingegen wird Wasser, insbesondere kaltes Wasser verwendet, um beispielsweise die Durchblutung anzuregen, Lymphödeme zu lindern oder chronische Wunden mitzubehandeln. Warmes Wasser dagegen findet Anwendung, um Krämpfe zu lindern oder die Muskulatur zu entspannen. Kneipp-Wasserbäder oder Saunen können nach vorheriger Rücksprache mit dem Onkologen zur Anwendung komme, eine pauschale Empfehlung wird allerdings nicht ausgesprochen.
Das größte Themengebiet der klassischen Naturheilverfahren stellt schließlich die Phytotherapie dar – die Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln. Hier muss besonders genau hingeschaut werden, denn nicht nur die Arzneimittelqualität ist schwankend, auch Wechselwirkungen sind möglich und gehen mit einer Gesundheitsgefährdung einher. Bei vielen Präparaten kann keine allgemeingültige Aussage zur Effektivität und Unbedenklichkeit getroffen werden, wenn zu wenige Daten vorliegen.
Spezielle Situationen
Methoden zur Unterstützung bei einer Operation
Bei vielen Tumoren ist das Entfernen des erkrankten Gewebes nach wie vor eine der wichtigsten Maßnahmen. Komplementäre Behandlungsmethoden sollen Beschwerden, die durch eine Operation ausgelöst werden, wie Schwellungen und Schmerzen lindern.
Zum Einsatz kommen beispielsweise bestimmte Enzyme:
- Bromelain, das Enzym aus der Ananas,
- Papain aus der Papaya sowie
- Trypsin und
- Chymotrypsin
Sie wirken entzündungshemmend und helfen gegen Schwellungen nach Operationen. Allerdings sollten sie auf Grund eines leichten blutverdünnenden Effekts vier Tage vor der Operation abgesetzt und erst nach Abschluss der Nachblutungsbeobachtung wieder eingenommen werden.
Die Enzyme werden in Form von Kapseln oder Tabletten eingenommen – idealerweise etwa eine Stunde vor einer Mahlzeit. So kann die beste Wirkung erzielt werden.
Zur Wiederherstellung der Darmfunktion nach Operation bei Kolonkarzinompatientin gibt es positive Studien zur Akupunktur. Die Behandlung kann ergänzend zur Schmerz- und Angstlinderung dienen und zur Verbesserung der Lebensqualität führen. Meditation und Entspannung sind wesentliche Methoden, um sich für eine Operation mental vor- und nachzubereiten.
Unterstützende Methoden bei einer Bestrahlung
Bei einer Bestrahlung wird die Haut im bestrahlten Bereich einer großen Belastung ausgesetzt. Hier ist es wichtig, das sehr empfindliche Bestrahlungsareal von Anfang an mit geeigneten Pflegemaßnahmen zu behandeln.
Sie finden im Apothekensortiment medizinische Pflege, die speziell für die bestrahlte Haut entwickelt wurde. Dazu zählt beispielsweise Linola® Radioderm oder Allpremed Atopix Repair Lipid Schaum.
Wichtig zu wissen!
Ebenso kann medizinischer Honig verwendet werden. Dieser enthält Methylglyoxal, welches antibakteriell wirkt.
Der medizinische Honig wird auf die Haut aufgetragen und mit einer Mullkompresse abgedeckt. Der Honig kann, ohne Druck auf die belastete Haut auszuüben, einfach mit lauwarmem Wasser wieder abgewaschen werden.
Durch eine Strahlentherapie wird nicht nur die äußere Hautoberfläche gereizt, auch über Schleimhautprobleme, vor allem im Mundbereich, klagen viele Patienten. Es kann eine Mukositis entstehen, die zum Beispiel durch eine ergänzende Zinkeinnahme behandelt werden kann.
Unterstützung bei einer Chemotherapie
Während der Chemotherapie kann die Verträglichkeit von Zytostatika durch komplementäre Methoden verbessert werden und Nebenwirkungen abgeschwächt oder in manchen Fällen auch verhindert werden.
Da es eine Vielzahl von unterstützenden Maßnahmen gibt, möchten wir Ihnen hier eine Auswahl vorstellen:
Akupunktur, Akupressur und Meditation
Übelkeit ist ein typisches Leitsymptom der Chemotherapie. Laut Leitlinie können dabei Akupunktur, Akupressur und Meditation sehr hilfreich für Patienten sein. Die Behandlung kann während der Chemotherapie durchgeführt werden. Als Phytotherapie eignet sich Ingwer sehr gut, um zusätzlich gegen die Übelkeit anzukämpfen.
Eiswürfel lutschen
Zur Vorbeugung gegen Schmerzen im Mundraum können Sie Eiswürfel oder kalte Ananasstücke lutschen. Die Kälte empfinden viele Patienten als angenehm schmerzlindernd. Zudem zeigt das Enzym in der Ananas eine entzündungshemmende Wirkung.
Behandlung mit Speisehonig
Ebenso kann hier, neben häufigen Mundspülungen, eine Behandlung mit Honig erfolgen.
Zum Einsatz kommt dabei – im Gegensatz zur Wundbehandlung – qualitativ hochwertiger Honig, der zum Verzehr geeignet ist.
Hierfür wird 1g/kg Körpergewicht (entspricht beispielsweise 70g bei einem 70kg schweren Patienten) in vier Portionen aufgeteilt (ca. 15g) und über den Tag verteilt jeweils eine Minute im Mund gehalten und anschließend geschluckt.
Bewegung und Sport
Bewegung und Sport haben einen positiven Effekt auf das Fatigue-Syndrom, wirken einem Muskelabbau entgegen und können bei Schlafstörungen helfen.
Lesen Sie hierzu auch die Artikel:
Schlafstörungen bei Chemotherapie
Selen- und Vitamin D-Spiegel normalisieren
Ein Selen- und auch ein Vitamin D-Spiegel im Normbereich trägt zur besseren Verträglichkeit einer Chemotherapie bei. Hier gilt jedoch nicht je mehr, desto besser.
Lassen Sie daher Ihren Blutspiegel bestimmen und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob eine Ergänzung von Vitamin D und/ oder Selen sinnvoll ist.
Da Vitamin D in der Haut gebildet wird, empfehlen wir Ihnen ein Schattenbad bei angenehmen Temperaturen und die Aufnahme von fettem Seefisch in Ihren Ernährungsplan.
Generell sollten Sie vor einer Supplementierung von Spurenelementen und Vitaminen immer ärztliche Rücksprache halten. Der Arzt wird Ihren Status überprüfen und geeignete Präparate empfehlen.
Massagen
Es konnte nachgewiesen werden, dass Massagen einen positiven Einfluss auf das Immunsystem und das Befinden der betroffenen Patienten haben. Teilnehmer der Untersuchung waren von Brustkrebs betroffene Patientinnen.
In unseren Augen sind Massagen, unabhängig der Erkrankung empfehlenswert, vorausgesetzt Sie können sich während der Massage gut entspannen und fühlen sich wohl.
Mistelpräparate
Mistelpräparate werden häufig mit dem Ziel eingesetzt, die Nebenwirkungen einer Chemotherapie zu reduzieren und damit einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität zu erreichen. Gerade Nebenwirkungen wie trockene Schleimhäute, Mundschleimhautentzündungen (orale Mukositis) oder gastrointestinale Nebenwirkungen (Durchfall oder Verstopfung) können vermindert werden. Es gibt verschiedene Hersteller von Mistelpräparaten. Aufgrund der Unterschiede der erhobenen Daten zur Wirksamkeit, Sicherheit und Tumorarten werden nicht alle Mistel-Arzneimittel von der Krankenkasse erstattet.
Wichtig ist, dass Sie vor der Anwendung von Mistelpräparaten mit Ihrem behandelnden Onkologen intensiv sprechen und sich beraten lassen. Er wird abklären, ob das angedachte Mistelpräparat sich mit Ihrer Therapie verträgt. Zu vermeiden sind Wechselwirkungen, die zu einer reduzierten Wirkung der Tumortherapie führen, sowie zum Auftreten verstärkter Nebenwirkungen. In der Regel werden Mistelpräparate in unterschiedlichen Konzentrationen über einen definierten Zeitraum eingesetzt. Auch daher sollte der Therapieplan von Ihrem Arzt (im besten Fall mit Erfahrung in der Misteltherapie) erstellt werden.
Es liegen verschiedene Meinungen zur Misteltherapie vor, sodass keine Argumente für oder gegen die pflanzlichen Präparate gezogen werden können. Rücksprachen mit dem Arzt sollte aber immer stattfinden.
Unterstützung bei der Einnahme von Hormonen
oder einer Behandlung mit Antihormonen
Eine anschließende Therapie mit Medikamenten mit Hemmwirkung auf die Hormonbildung oder Hemmung der Hormonwirkung, ist bei einem Tumor, der durch Hormone zum Wachstum angeregt wird, Mittel der Wahl.
Die sogenannten Aromatasehemmer und Antiöstrogene sollen so vor einem erneuten Wachstum schützen. Bei vielen Patienten kann es im Laufe der Behandlung jedoch zu Beschwerden kommen.
Informationen hierzu finden Sie auch in dem Artikel:
Hormonveränderungen durch Chemotherapie
Gelenk- und Muskelschmerzen
Hier stehen, neben den, durch die Therapie ausgelösten Wechseljahresbeschwerden, Gelenk- und Muskelschmerzen im Vordergrund. Einen positiven Effekt auf Gelenk- und Muskelschmerzen können eingenommene Enzyme (Bromelain, Papain) und ein gut eingestellter Vitamin D-Spiegel hervorrufen.
Lassen Sie Ihren Vitamin D-Spiegel vor einer Ergänzung des Vitamins, bestimmten. Der Normbereich liegt zwischen 35 und 60 ng/ml.
Hitzewallungen
Hitzewallungen, ausgelöst durch beispielsweise eine Antihormontherapie, können durch Salbeiextrakte abgeschwächt werden. Hier sind hochkonzentrierte Extrakte in Form von Tabletten im Handel.
Auch die Einnahme von Selenpräparaten ist bei einem nachgewiesenen Mangelzustand sinnvoll. Der Selenspiegel sollte sich im Bereich von 110–130 µg/l befinden.
Komplementäre Möglichkeiten in der Nachsorge
Nach einer abgeschlossenen Behandlung gelten die allgemeinen Empfehlungen zur Krebsprävention:
- gesunde und ausgewogene Ernährung
- Gewichtseinstellung im Idealbereich
- regelmäßige Bewegung
- Einstellen des Vitamin D- und Selenspiegels im Normbereich
- 2 bis 3 Tassen grüner oder schwarzer Tee täglich (jeweils frisch aufgebrüht bei ca. 80°C)
- Vermeiden von krebsauslösenden Substanzen (Angebranntes, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum)